Das Punkt. MC01 Legend und die Geschichte dahinter
Am 23. Dezember 2022 berichtete Kevin Michaluk auf CrackBerry.com über ein unveröffentlichtes Konzeptprodukt von Punkt. aus dem Jahr 2015: das „MC01 Legend“. Für diejenigen, die CrackBerry 2.0 nicht kennen: Das ist die kürzlich neu aufgelegte Version von CrackBerry 1.0, der beliebtesten Website für BlackBerry-Nutzer und Enthusiasten weltweit, auf der es nun News zu Blackberry-ähnlichen Technologien gibt.
In der Rezension auf CrackBerry waren auch Bilder von dem Punkt. MC01 zu sehen, einem Smartphone im Reisepassformat mit QWERTY-Tastatur und edlem, minimalistischen Design. Das MC01 kam nie auf den Markt, weil es, wie Kevin in seinem Artikel betonte, an Branchenzwängen scheiterte. Bei den Leserinnen und Lesern des Artikels stieß es jedoch auf große Resonanz und löste in der Community eine Diskussion über die Notwendigkeit eines Geräts mit einer echten Tastatur und einem datenschutzfreundlichen Betriebssystem aus. Das MC01 Legend wird es vielleicht nur dann auf den Markt schaffen, wenn dieser Trend Fahrt aufnimmt, jedoch ist das, wofür es steht, immer noch sehr lebendig: Petter Nebys Vision einer digitalen demokratischen Zukunft.
Punkt. wurde 2008 in der Schweiz gegründet, nur ein Jahr nachdem das erste iPhone auf den Markt kam, und debütierte mit einem Festnetztelefon, dem bald darauf ein analoger Wecker folgte. 2015 kam das Mobiltelefon MP01 auf den Markt, das nur zum Telefonieren und zur Übermittlung von Nachrichten diente und von Anfang an eine Design-Sensation war. Die Presse schwärmte vom MP01, aber die meistgestellte Frage war: Für wen ist es gedacht? Das war vor 2017, als die Big-Tech-Industrie dann schwere Schläge einstecken musste, die die Whistleblower-Bewegung ins Rollen brachten, und noch bevor das Thema Informationsüberflutung in aller Munde war.
2018 brachte Punkt. das Mobiltelefon MP02 auf den Markt, das erste mobile Gerät mit BlackBerry Secure. Ebenfalls ein Sprachtelefon, mit einer abgespeckten Nur-Text-AOSP-Version, 4G-kompatibel und mit Hotspot-Funktion. Gegen Ende 2019 begann Punkt. mit der Entwicklung einer Open-Source-App, die es Usern ermöglichen sollte, mit Personen, die die Signal-App verwenden, zu telefonieren und ihnen Nachrichten zu senden. 2021 stellte Punkt. Pigeon als Release für alle zur Verfügung, die Zugang zu sicherer Kommunikation auf einem Feature Phone haben möchten. Wichtig ist dabei zu wissen, dass Signal bis dahin nur über Smartphones und Desktop-Computer zugänglich war.
Das MC01 Legend wurde vor sieben Jahren entwickelt, kam aber nicht auf den Markt. Die Herstellung war zu schwierig, zu teuer und ohne Google Android fast unmöglich zu realisieren.
Der Ruf nach Tasten und die allgemeine Reaktion auf den CrackBerry-Artikel bestätigen jedoch die Ergebnisse eines quantitativen Forschungsprojekts von Punkt. aus dem Jahr 2020. 69 % der Befragten gaben damals an, dass sie lieber ein Telefon hätten, bei dem Datensicherheit und Privatsphäre Vorrang haben vor technischen Funktionen oder Spezifikationen, vor allem, weil sie sich vor der Überwachung durch Unternehmen schützen wollen. Bis zu 50 % der Befragten gaben an, dass sie bereit wären, einen Großteil ihrer Apps für ein Paket mit Produktivitäts-Apps (Karten, Kalender und E-Mail) auf einem weniger ablenkenden Kommunikationsgerät aufzugeben. In der Flut der Tweets, die auf den CrackBerry-Artikel über das MC01 Legend folgten, zeigten sich die Menschen sogar kaum besorgt über den Preis eines solchen Geräts, und die Nachfrage läuft weiter.
Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die heute führenden Tech-Unternehmen ihre Designentscheidungen auf der Grundlage eines interaktionsbasierten Geschäftsmodells treffen. Wir wissen auch, dass diese Designentscheidungen Gesellschaften weltweit massiv beeinflusst haben, und zwar junge wie alte Menschen. Das vielleicht bekannteste Beispiel dafür ist der Teilen-Button von Facebook, aber es gibt viele weitere.
Es überrascht nicht, dass Unternehmen, die viel Zeit, Geld und Mühe in Ästhetik, Ergonomie, Privatsphäre und Sicherheit investieren − wie BlackBerry −, in dem Wettrüsten um Interaktion nicht mithalten können, bei dem neue Funktionen und Lösungen die Nase vorn haben, die in der Verhaltensforschung entwickelt und von Algorithmen bestimmt werden. Bedenken Sie, dass selbst die trivialste Designänderung (der Teilen-Button von Facebook) für ein interaktionsbasiertes Geschäftsmodell effektiver sein kann als ein neues Produkt. In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Big-Tech-Vordenker verstanden, dass die bei weitem wertvollste Währung der Branche die Daten und die Aufmerksamkeit der Menschen sind – und darum dreht sich das gesamte System. Psychologischer Einfluss und das Recht auf Privatsphäre sind kein Teil der Systemgleichung.
Im regulatorischen Umfeld gibt es Fortschritte beim Thema Privatsphäre und Datenschutz, und das ist auch gut so. Die DSGVO in Europa und viele US-Richtlinien und -Gesetze sind auf dem Weg. Im Dezember 2022 wurde in den USA ein Gesetz zur Rechenschaftsplicht und Transparenz von Plattformen (Platform Accountability and Transparency Act, PATA) eingeführt, um soziale Medien transparenter zu machen. Seit der Explosion der Smartphone-Sucht und Digital Detox sind im Bereich der Technologien für die Menschen weitere positive Trends wie das Center for Humane Technology entstanden, wo die Debatte darüber, was Technologie und Medien mit uns machen, intensiver geführt wird. Immer mehr Menschen zeigen sich misstrauisch gegenüber allgegenwärtigen Technologien und Medien und fragen sich, ob deren Auswirkungen auf die Demokratie und Redefreiheit eher negativ als positiv zu bewerten sind.
Trotz der Dimension des Problems und des wachsenden Bewusstseins dafür gibt es unverhältnismäßig wenige Produkte, die serienmäßige, einfache und sinnvolle Lösungen bieten, anstatt die Last auf die Betroffenen abzuwälzen. Warum ist das so? Die Gründe dafür sind technischer und philosophischer Natur (wie in Kevins Artikel beschrieben). Punkt. möchte sich nicht an Designentscheidungen orientieren, die Verbraucherinnen und Verbraucher unweigerlich zum Produkt machen. Punkt. möchte technische Produkte entwickeln, die sich an den Entscheidungen der Menschen orientieren und will dies mit Änderungen erreichen, durch die die Daten und psychologischen Schwachstellen von Menschen nicht ausgenutzt, sondern geschützt werden.
In diesem Jahr, 2023, plant Punkt. ein Smartphone auf den Markt zu bringen, das zwar leider nicht die Tasten haben wird, nach denen sich so viele Daumen sehnen (rufen Sie lauter!), sondern mit einem Full-Touchscreen ausgestattet sein wird, mit dem sich die technischen Schwierigkeiten der MC01-Bildschirmgröße umgehen lassen. Das Betriebssystem des Mobiltelefons wird die philosophische Herausforderung angehen und sich auf den Schutz der Privatsphäre und die technischen Aspekte konzentrieren, die Verbraucherinnen und Verbraucher heute benötigen: Produkte, die unsere persönlichen Daten schützen, uns unsere Aufmerksamkeitsspanne zurückgeben und unsere Produktivität und Konzentration steigern, ohne dass wir dafür Opfer bringen müssen.
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