Bargeldlose Gesellschaft: ein Widerspruch in sich?
Teil 1 einer Essay-Reihe zum Thema „Bargeld vs. computergestützter Geldverkehr“
Die spektakuläre, weltweite Abkehr vom Bargeld im Zahlungsverkehr, die durch die Pandemie noch beschleunigt wurde, ist wieder ein Beispiel für einen gewaltigen gesellschaftlichen Wandel, der kaum analysiert oder diskutiert wird. Es war keine bewusste, demokratische Entscheidung, die nach eingehender Debatte getroffen wurde, sondern „passiert einfach“. Diejenigen, die den Trend unterstützen, glauben, dass unser Leben dadurch besser wird - oder werden wir die kurzfristigen Annehmlichkeiten vielmehr mit weitreichenden, unbeabsichtigten Folgen bezahlen?
Ist Bargeld den Aufwand wert? Es ist umständlich, muss nachgefüllt werden und kann verloren gehen oder gestohlen werden. Transaktionen mit Bargeld dauern eine spürbare Menge an Sekunden länger und erfordern den Einsatz des wertvollen Gutes der „Konzentration“. Und beim Bargeld kommen andere Menschen ins Spiel, es wurde von anderen berührt, jeder Einsatz von Bargeld erfordert eine ungeplante Interaktion mit anderen. Das Zahlen mit Karte oder elektronischem Gerät geht schneller, verschafft Zugriff auf das gesamte Vermögen einer Person und bietet durch Passwörter und Kontosperrung Sicherheit. Jedoch ist Bargeld weit mehr als nur eine Möglichkeit, Geld von einer Person zur anderen zu transferieren. Und bargeldlose Optionen bringen ihre eigenen Risiken und Unannehmlichkeiten mit sich.
Wenn wir bei den Annehmlichkeiten der bargeldlosen Zahlung anfangen, ist sie anfällig für technische Probleme. Bei Handys kann der Akku leer sein, Geschäfte können ihre Internetverbindung verlieren. Und gelegentlich fallen ganze Zahlungssysteme aus, so dass Millionen von Geschäften stunden- oder tagelang keine Karten- oder Telefontransaktionen abwickeln können. Computergestützte Annehmlichkeiten sind in der Regel ziemlich störanfällig.
Bei Bargeld ist kein Einrichtungsprozess erforderlich. Eine Markthändlerin kann einfach ihren Stand aufstellen und auf ihre erste Kundschaft warten. Es gibt zwar tragbare Kartenlesegeräte und ähnliches, die aber sind mit großen Sicherheitsbedenken verbunden. Beim Verkauf aus dem Kofferraum, aus der Garage, auf Flohmärkten usw. spielen sie kaum eine Rolle. Zwar können Geldbeträge zwischen Privatpersonen per Smartphone überwiesen werden, dahinter aber verbirgt sich ein ganzes Sammelsurium von Problemen im Hinblick auf Sicherheit, Software-Updates, Kompatibilität usw.
Straßenkünstler fangen schon damit an, Kartenlesegeräte aufzustellen, in die Passanten einen vorher festgelegten Betrag eingeben können, doch auch hier gibt es Sicherheitsbedenken – und was ist mit dem Klirren der Münzen, die in einem Hut oder Gitarrenkoffer landen? Die Materialität von Bargeld ist wichtiger, als es die Entscheidungsträger - soweit es sie überhaupt gibt - zugeben. Die Numismatik hat ihre Daseinsberechtigung: Ob schön oder hässlich, Münzen und Banknoten sind selbst wichtige Artefakte, die eine bestimmte soziale Gruppe spiegeln und dadurch erhalten.
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